Tag des offenen Denkmals 2021

170 Stufen auf neuen Wegen

 

Von Jürgen Engelhardt

 

Zum nationalen Tag des Offenen Denkmals am 12. September öffnete auch die Osterkirche für Besucher ihre Pforten. Auf einem geführten Weg mit kurzen Beschreibungen konnte jede und jeder sich über die Altarbilder, die Orgel, die Glocken, die Aschenbecherfenster und das Haus insgesamt informieren.

 

Im Kirchraum war eine wunderbar von Dirk Schlegemilch gestaltete Ausstellung mit großartigen Fotos von Robert Günzel zu sehen. Die Fotos zeigten den Kirchraum zum Teil aus sehr ungewöhnlichen Perspektiven – zum Beispiel von ganz oben, aufgenommen aus den Luken, an denen die Leuchter befestigt sind.  

 

Vorn rechts neben dem Altar um den Flügel herum befand sich eine kleine Sitzecke, in der zu jeder vollen Stunde von Pfarrer Thilo Haak Andachten zu Jesus sieben „Ich bin-Worten“ aus dem Johannes-Evangelium gehalten wurden. Umrahmt wurden diese Andachten jeweils von Musik: Gespielt von Burkhard Meischein an der Orgel, von Christard Zimpel gestrichen und gezupft auf der Geige, Kristina Jacobsen am Klavier, begleitet vom eigenen Gesang, Rafael Schwarzer mit selbstkomponierten Klavierstücken und zum Abschluss getrommelt vor der Kirche von Andrea Kelm und ihren Mitspielern und Mitspielerinnen.

 

Für die Kinder hatten sich Susanne Werner und Sibylle Sterzik eine ganze tolle Aktion ausgedacht: Anhand von Fotos mussten die Kinder die darauf gebildeten Gegenstände in der Kirche suchen. Eine wirklich originelle Idee, Kindern auf diese Weise die Kirche entdecken zu lassen und näher zu bringen.

 

Vor der Küsterei liefen kleine Videosequenzen, die u.a. eine Turmbesteigung zeigten – für all diejenigen, die den Weg nach oben bis zu den Glocken nicht erklimmen wollten.

 

Wer allerdings die 170 Stufen bis zur Turmspitze selbst bewältigen wollte, wurde von Michael Gumbert und Siemen Dallmann dorthin begleitet. Dabei konnten alle auf der vorletzten Ebene auch das Uhrwerk bewundern. Die Ausblicke durch die Luken nach Westen (Westhafen) und Osten (Gesundbrunnen, Humboldhain) fanden die Menschen beeindruckend - ebenso die drei großen Glocken.

 

Die Turmbesteigung war gewiss die Attraktion des Tages. Zum ersten Mal konnten Besucher im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung die 170 Stufen besteigen. So eröffneten dieser Tag des offenen Denkmals in der Osterkirche auch neue Wege.

 

Neue Wege mussten angesichts der Corona-Schutzregeln natürlich auch bei der einfach zu einer solchen Veranstaltung gehörenden Kaffee-Saft-Kuchen-Canapé-Würstchen-Tafel gewählt werden. Im Kirchvorraum wurde den Besuchern von dieser wunderbar von Susanne Werner und Aruna Hildebrandt gestalteten Tafel die Leckereien mit Schutzhandschuhen angeboten. Viele Ehrenamtliche betreuten den Tag über diese Tafel. Vor der Kirche konnten die Besucher das Essen an Stehtischen genießen. Neue Wege gewiss – doch neue Wege, die den großen Vorteil hatten, dass zufällig vorübergehende Passanten angelockt wurden, auch in die Kirche zu schauen.

 

Die Teilnahme am Tag des offenen Denkmals war für die Osterkirche die erste größere Veranstaltung nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie. Neue Wege mussten beschritten werden, um die notwendigen Schutzmaßnahmen einzuhalten. Diese notwendigen Schutzmaßnahmen haben das Vorbereitungsteam nicht abgeschreckt, sondern es Wege, neue Wege, finden lassen, die gezeigt haben, wie wir mit Corona auch Freude vermitteln können: In diesem Fall die Freude des (Wieder-)Entdeckens eines 110 Jahre jungen Gebäudes.

 

So fanden viele ehemalige jetzt erwachsen gewordene Kita-Kinder sowie Konfirmandinnen und Konfirmanden an diesen Tag in die Osterkirche. Sie schwelgten in Erinnerungen „an ihre Zeit in Oster“. So manche Geschichte „von früher“ wurde erzählt und ließ so „die guten alten Zeiten“ immer wieder mal an diesem Tag Einzug halten in die Kirche - gleichwohl verbunden mit der Einsicht, dass dieses „Damals“ nicht wiederkehren wird. Neues ist entstanden, wird weiter entstehen. Genauso wie das Vorbereitungsteam nicht auf Wiederkehr der Zeit vor Corona gewartet hat, sondern neue Wege mit Corona gefunden hat.

 

Immer wieder in der Geschichte der Kirche hat sich die Gemeinde erfolgreich den jeweiligen Herausforderungen gestellt. Auf ihrem Rundgang haben die Besucher des Tages des offenen Denkmals die Schönheit und auch die Wunden des Gebäudes wahrnehmen können. Diese zu heilen, bedarf es großer Anstrengungen - vieler kreativer Ideen, damit die Osterkirche weiterhin ein interessanter besuchenswerten Ort bleibt. Denn rückläufige Gemeindemitgliederzahlen und eine Vielzahl von sanierungsbedürftigen Kirchen lassen natürlich die Frage aufkommen: Warum muss gerade die Osterkirche erhalten bleiben?

 

Deshalb geht es jetzt vor allem darum, Antworten zu finden auf die Frage: Wie könnte die Osterkirche als Ort des Glaubens die Menschen auch weiterhin neugierig machen? Vieles ist denkbar, manches von Besuchern der Osterkirche formuliert:

 

  • Treffpunkt, Veranstaltungsort für die verschiedenen Gruppen und Aktivitäten im Kiez,
  • Einrichten von Arbeitsplätzen auf den Emporen für Freiberufler, die Projekte im kirchlichen Umfeld durchführen,
  • Sanierung der Osterkirche als Beispiel für eine Instandsetzung für Gebäude in ähnlicher Situation in Zusammenarbeit mit dem Umweltbüro der Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz unter Beachtung ökologischer und klimaschonender Bedingungen,
  • Aufbau einer „Denkstatt“ (Denk-Werkstatt), in der darüber nachgedacht wird, wie die immer mehr auseinanderdriftende Gesellschaft wieder zueinander finden kann.

 

Gewiss gibt es noch vieles mehr. Hier würden wir gern Ihre Gedanken und Ideen erfahren, um diese mit Ihnen zusammen weiterzuentwickeln. Schreiben Sie uns, gestalten Sie mögliche neue Wege mit. Schicken Sie Ihre Idee an foerderverein@ostergemeindeberlin.de.

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